(Transgenerationaler) Gewaltkreislauf

Häusliche Gewalt umfasst Verletzungen der physischen und psychischen Integrität einschließlich sexualisierter Gewalt, die überwiegend in Partnerschaften bzw. durch Ex-Partnerinnen und Ex-Partner begangen werden. Kinder und Jugendliche, die Gewalt gegen ihre Mutter miterleben, sind unfreiwillige Zeug*innen, unschuldige Mitbetroffene und häufig hilflos Ausgelieferte. Sie hören und sehen die Gewaltsituationen, geraten in die Gewalt hinein oder werden dabei selbst körperlich angegriffen.

Gewalt im sozialen Nahraum wiederholt sich und wird transgenerational weitergegeben. Kinder orientieren sich an dem, was ihnen ihre Eltern vorleben. Die Wahrscheinlichkeit steigt bei betroffenen Kindern und Jugendlichen signifikant, als Erwachsene selbst Gewalt in Beziehungen auszuüben oder von dieser betroffen zu sein. Dieser Gewaltkreislauf kann durchbrochen werden, wenn Eltern sich dessen bewusstwerden und ihr eigenes Verhalten ändern.

Hilfesystem bei häuslicher Gewalt

Gewalt an Frauen ist in Deutschland laut Gewaltschutzgesetz verboten. Um mitbetroffene Kinder wirksam zu unterstützen und zu schützen, arbeitet eine Vielzahl an Institutionen mit unterschiedlichen Perspektiven, Rollen und Handlungsaufträgen am Kinderschutz in Fällen häuslicher Gewalt. Das Hilfesystem bei häuslicher Gewalt ist damit besonders komplex.

In der Video-Reihe Fachpersonen erzählen erläutern Expert*innen ihre Rolle und Vorgehensweise in der Unterstützung von betroffenen Kindern. Nur eine gute inter-institutionelle Abstimmung und Vernetzung sowie gemeinsames, geplantes und abgestimmtes Handeln kann für Kinder hilfreich sein. Ziel ist es, alle Betroffenen altersspezifisch und bedarfsgerecht zu unterstützen.

Frauengewaltschutz = Kinderschutz

Nicht nur für die Mütter, auch für die Kinder und Jugendlichen ist das Frauenhaus ein Schutzraum, in dem sie zunächst in Sicherheit sind vor weiterer Gewalt. Frauenhäuser sind also immer auch Kinderschutzhäuser. Tatsächlich finden hier jährlich mehr Kinder als Frauen Schutz. 75% der Bewohner_innen von Frauenhäusern sind Mütter. Die Mehrheit flüchtet mit einem oder mehreren Kindern vor geschlechterspezifischer Beziehungsgewalt. Jährlich finden mehr als 15.000 Kinder und Jugendliche in einer krisenhaften Situation mit ihren Müttern im Frauenhaus Schutz.

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Heranwachsen in Sicherheit– Bausteine zur Stärkung betroffener Kinder

Als vorübergehende Sozialisationsinstanzen können Räume wie Kita, Schule, Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, Einrichtungen des Frauengewaltschutzes u.v.m., die die Lebenswelt von betroffenen Kindern und Jugendlichen prägen, Orte sein, die Kinder und Jugendliche dazu befähigen, sich mit ihrer Situation produktiv auseinanderzusetzen, ihnen gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien aufzuzeigen, und alternative Rollenbilder sowie korrigierende Beziehungserfahrungen zwischen Erwachsenen und Kindern zu ermöglichen.

Eine pädagogisch qualifizierte Arbeit mit den Kindern, fördert deren psychische Gesundheit, ermöglicht ihnen eine Wiedergewinnung ihrer Alltagsstruktur, verbessert ihr soziales Lernen und ihre Beziehungsfähigkeit. Sie fördert psychosoziale Bildung, Erholung sowie die Entwicklung von Zukunftsperspektiven.

Die wichtigsten Botschaften an betroffene Kinder sind:

„Du darfst dir Hilfe holen.“

„Du bist niemals schuld.“

„Du hast alles richtig gemacht.“

„Erwachsene haben die Aufgabe sich um dich zu kümmern.“

„Es ist die Aufgabe von Erwachsenen Kinder zu beschützen.“

Im Folgenden sind wesentliche Elemente einer traumapädagogischen Haltung, Handlungsansätze sowie Präventionsbotschaften für betroffene Kinder zusammengefasst.

Erwachsene sind in der Verantwortung Kinder und Jugendliche vor Gewalt zu schützen. Dies gelingt ihnen jedoch in Fällen häuslicher Gewalt selten. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, Kindern und Jugendlichen eigene Schutzmaßnahmen (Hilfe holen, Notfallpläne) an die Hand zu geben und ihnen kindgerechte Schutzräume zur Verfügung zu stellen. Diese sicheren Orte sollten Orte der Berechenbarkeit sein. Sie sollten neben Schutz auch Regelmäßigkeit, Orientierung und Struktur bieten.

  • Risiko-Screening und Sicherheitsplan für jedes Kind
  • Hilfe- und Notfallpläne

Betroffene Kinder benötigen Stabilität und Kontinuität: Der Tagesablauf des Kindes ist so strukturiert, dass das Kind Ruhe, Regelmäßigkeit und Struktur erlebt. Betroffene Kinder haben häufig Macht und Hierarchie als etwas Missbräuchliches erlebt und einen willkürlichen Umgang mit sichernen Strukturen erfahren.

  • strukturierter Tagesablauf
  • stabile und vorhersehbares Umfeld
  • stabile Bezugs- und Ansprechperson in der Einrichtung (wenig Wechsel im Betreeungssetting)
  • so wenig Umzüge wie möglich

Das Kind hat eine verlässliche Bindungsperson. Eine Bindungsperson liebt das Kind bedingungslos, übernimmt Verantwortung für das Kind und ist emotionaler Bezugspunkt, der das Kind unterstützt und tröstet. 

  • Ermöglichung von Kontakt zu Vertrauenspersonen, Freund*innen und Familie
  • Förderung sozialer Beziehungen und Bindung zu ebenfalls Betroffenen (Peers)
  • sichere Bindung zu mindestens einem Elternteil
  • ggf. Umgangskontakt mit abwesendem Elternteil (begleiteter Umgang)
  • Förderung der Mutter-Kind-Beziehung

Das Miterleben von häuslicher Gewalt führt auch bei kindlichen Zeug*innen zu unangenehmen Gefühlen wie Angst, Scham oder Trauer. Die Eltern sind, aufgrund der Gewaltsituation, selten in der Lage die Kinder in ihren emotionalen Zuständen zu unterstützen. Aus diesem Grund werden Gefühle meist weggedrückt oder vermieden. Das kann langfristig sehr belastend sein, weshalb die Kinder und Jugendlichen beim Ausdruck ihrer Gefühle Unterstützung benötigen. Fachkräfte können die Kinder und Jugendlichen beim Erwerb dieser Fertigkeit unterstützen.

  • Wahrnehmen und Benennen von Gefühlen
  • Enttabuisierung von belastenden Gefühlen (Schuld, Scham, Wut, Trauer, Loyalitätskonflikte etc.)
  • individuelle psychosoziale Vermittlungsangebote

Das Kind erhält Unterstützung in der Traumaverarbeitung. Die kann die Vermittlung in spezialisierte therapeutische Angebote bedeuten, die Enttabuisierung von Gewalt, die Entlastung von Geheimnisträger*innenschaft und Erlaubnis, das Erlebte zu teilen.

  • traumapädagogische Kompetenzen bei den Mitarbeiter*innen
  • individueller Hilfe- und Heilungsplan
  • Zugang und Vermittlung in Therapie
  • Präsenz von Psycholog*innen / Expert*innen In-House

Das Erleben von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Willkür führt dazu, keinen Sinn und keinen Wert in sich und seinem Handeln zu sehen. Deshalb ist die Selbstwirksamkeitserwartung stark herabgesetzt. Es gilt in der Unterstützung betroffener Kinder, ihre Freude zu beleben, um die Belastung und Widerstandsfähigkeit ins Gleichgewicht zu bringen und damit die Resilienz betroffener Kinder zu fördern.

  • Berufscoaching
  • positive Zukunftsvision

Kinder sind Expert*innen ihrer eigenen Situation. Aus der Erfahrung des Kontrollverlustes im alten Kontext von Gewalt resultiert die Erwartung, keinen Einfluss zu haben. Partizipation, Beteiligung und Teilhabe in allen Entscheidungen, die die Zukunft der Kinder betreffen ist wesentlich, um Zukunftsperspektiven frei von Gewalt zu entwickeln.